Ein deutscher Stern in Hollywood: Interview mit Regisseur Dennis Gansel
- Marcel Flock
- 24. Aug. 2016
- 8 Min. Lesezeit
Am 25.08.2016 start der Film The Mechanic:Resurrection in den deutschen Kinos. Zum Filmstart traf sich unser Redakteur mit dem deutschen Filmregisseur Dennis Gansel zum Interview. Dabei sprachen sie unter anderem über seine Erfahrungen in Hollywood und warum es so schwer ist in Deutschland gute Filme zu machen.

Seinen ersten Hollywood-Film drehte Regisseur Dennis Gansel mit Stars wie Jason Statham, Jessica Alba und Tommy Lee Jones. (Foto: Universum Fim)
Wat Los?: Du hast ja nicht nur mit amerikanischen Stars gedreht, sondern auch für das amerikanische Publikum, hat man da eine andere Art zu drehen da der Filmkonsum möglicherweise ein anderer ist?
Dennis Gansel: Nein nicht wirklich. Ich denke es gibt eine Erwartungshaltung an solch einen Film und ich denke, dass diese weltweit die gleiche ist. Ein Testscreening in Deutschland würde sicher genauso ausfallen wie in den Staaten. Es ist ja das Absurde, dass wir nur ein Testscreening in L.A. gemacht haben und die Produzenten meinten, dass sei der weltweite Geschmack. Ich meinte, das sei doch Quatsch. Aber es ist wohl tatsächlich so. Denn ich merke, dass weltweit positive wie negative Äußerungen sich sehr gleichen. Daran merkt man, dass es eben doch einen weltweiten Geschmack gibt. Also nein, man dreht nicht unbedingt anders.
Wat Los?: Man hört ja zum Beispiel bei Suicide Squad das den Machern anscheinend sehr viel reingeredet wurde. Wie sehr konntest du denn deine Visionen selber umsetzen?
Dennis Gansel: Also ich muss sagen, ich habe das mit Suicide Squad auch gehört und ich bin gespannt mal die Originalfassung vom Regisseur zu sehen. Bei mir war es relativ offen muss ich sagen.
Ich denke, das Studio wusste schon, dass es ein Film oder ein Script ist, was eher B-Ware ist. Sie suchten einen Regisseur, der mehr aus dem Material herausholen sollte. Deswegen waren die unglaublich offen für Vorschläge. Die Poolsequenz kam zum Beispiel von uns. Der Tommy Lee Jones Charakter war eigentlich jemand, der einfach über den Haufen geschossen werden sollte und ich fragte mich, ob wir den nicht noch ein wenig exzentrischer machen können. Solche Ideen wurden mit Kusshand angenommen.
Klar, ich habe auch komplette Szenen gedreht, die jetzt nur noch als Dialog drin sind: z.B. wie der Hauptdarsteller zum Mechanic wurde. Der Film begann eigentlich im London der 70er Jahre: Regen, man sieht einen kleinen Jungen, ein Waisenhaus. Er wird verkauft und zum Mechanic ausgebildet und getrimmt.
Ich fand es war eine großartige Szene. Die Produzenten meinten dann, dass wir diese nicht unbedingt brauchen, und lieber schneller in die Story reinkommen sollten. Die Entscheidung hätte ich anders getroffen, gebe ich gerne zu. Aber vielleicht vermisst man es auch nicht.
Ansonsten empfand ich den Austausch als überraschend gut und auf Augenhöhe.
Aber ich denke, dass ist auch dem Budget geschuldet. Bei einer 200 Millionen Dollar-Produktion ist der Druck natürlich höher als bei 30 Millionen, wo sie sagen können, den Gansel lassen wir mal machen
Wat Los?: Du kommst nach Amerika, machst deinen ersten Hollywoodfilm und drehst gleich mit so einer Größe wie Tommy Lee Jones. Wie war das für dich?
Dennis Gansel: Ich muss sagen ich hatte natürlich mega Respekt vor ihm und war vor dem ersten Treffen auch ganz schön aufgeregt, aber das hat sich schnell gelegt, denn ich hatte folgende Idee und sagte zu Jones: „Du pass auf, du bist eine Mischung aus Julian Schnabel und Ringo Starr“. Das fand er total super und meinte, dass er dann unbedingt den Morgenmantel und so kleine Slipper will. Ich sagte ok, dann fangen wir gleich mit den Slippern an. Das war toll. Denn man hatte dort jemanden, von dem man wusste, dass er schon Erfahrung hat. Und er wusste, dass er danach ,,Jason Bourne“ macht und da ist er eher wieder klassisch angelegt. Heißt, mit solchen verrückten Ideen rennt man bei ihm offene Türen ein. Du hast natürlich Stars die wissen wie sie wirken und die sehr schnell darauf achten das Eis zu brechen.
Jessica Alba zum Beispiel hatte sofort ihre Kinder dabei. Dann sitzt man eben nicht als Fanboy da und denkt ,,Oh Gott, da ist Dark Angel!“ Aber das will sie eben auch. Sie will einen fähigen Regisseur, der ihr sagen kann was sie machen soll.
Wat Los?: Stichwort Poolszene, die wirkt ja schon sehr gewagt. Hattest du dir das genau so schon vorher vorgestellt oder wie kam es dazu?
Dennis Gansel: Ja, und wir mussten uns natürlich genau überlegen wie wir das machen. Da wir Jason nicht am Hochhaus hatten, war es dann eine Mischung aus einem 10 Meter hohen Set welches dann kombiniert werden musste mit einem thailändischen Hochhaus und den originalen Plates aus Australien. Jason war also in diesem Fall nie in Australien. Das wurde dann mit viel CGI erschaffen und somit war die Flexibilität gleich null. Das wurde exakt geplant und jede Kleinigkeit im Storyboard erläutert. Sonst verursacht man nur zusätzliche Kosten.
Wat Los?: Und Jason Statham macht da jetzt auch nicht den Tom Cruise und will unbedingt alles selber machen?
Dennis Gansel: Jason macht schon sehr viel selber. Man muss ihn schon eher stoppen. Aber er ist ja nun auch schon etwas älter geworden und er kennt sich auch sehr gut aus. Bei bestimmten Tauchszenen zum Beispiel sagt er schon, dass er das gerne zum Schluss machen will, weil es sehr hinderlich gewesen wäre, wenn er sich geschnitten hätte.
Bei Expendables 3 zum Beispiel wäre er einmal fast ums Leben gekommen, wenn die bulgarischen Kampftaucher nicht gewesen wären die ihn rausgezogen haben. Das wäre knapp geworden und auch knapper als man allgemeinhin weiß. Seitdem ist er vorsichtiger geworden. Aber natürlich ist er immer noch top in Form und wäre er kein Hollywoodstar geworden, wäre er einer der besten Stuntmänner der Welt. Er macht schon wahnsinnig viele Stunts selber.
Wat Los?: Hattest du eine Idee im Kopf, in welche Richtung „The Mechanic: Resurrection“ gehen könnte, so z.B. in der Art Mission Impossible?
Dennis Gansel: Meine Idee war da eher „Dirty James Bond“, das dachte ich könnte zu ihm gut passen. Ich wusste, dass ich einen reinen „James Bond“ Film mit den mir zu Verfügung gestellten Mitteln und dem Budget gar nicht realisieren könnte. Oder einen Film im „Mission Impossible“-Style. Das ist ein Film, wo ich sage, ich muss mit dem „Baukasten“, den ich habe, das Beste daraus machen. Und Jason Statham steht für eine bestimmte Art von Filmen. Und das zu nehmen und sozusagen, so diese „Dirty“ Variante davon zu machen, das war so mein Konzept für den Film. Damit waren auch alle einverstanden. Und wenn man nach dem Film sagt, einen dritten Teil würde ich mir auch noch anschauen, dann glaube ich, haben wir alles richtig gemacht. Das ist unser Ziel.
Wat Los?: Gab es eigentlich auch eine brenzlige Situation am Set, wo jemand in ernsthafter Lebensgefahr war oder war alles super abgesichert?
Dennis Gansel: Nein. Oder warte mal, doch eine Situation gab es. Die Szene wurde glaube ich rausgeschnitten. Jason geht im Film ins Gefängnis, in dem er einen Typen mit einem Tattoo aufspürt, ihn umbringt und es wie Selbstmord aussehen lässt, also im „Mechanic Style“.
Und in dieser Szene hatte sich der Stuntmen, der den Typen spielte, seinen Kopf in eine Schlinge gelegt, die so ungünstig geknüpft war, dass er ohnmächtig wurde. Man sieht in dem Take noch, wie der Stuntman anfängt zu zittern. Dann mussten sofort Leute hin und ihn abhängen. Es ist aber nichts passiert, alles gut. Aber da dachte ich mir auch: Oh Mist, das lag an mir, weil ich den Take hab durchlaufen lassen. Er hat sich darauf vorbereitet, dass ich irgendwann „Cut“ sage, aber ich habe es einfach länger laufen lassen. Da merkt man, Vorsicht und Sicherheit geht vor.
Wat Los?: Ist die Szene jetzt mit Absicht nicht mehr im fertigen Film drin, quasi aus Respekt davor?
Dennis Gansel: Nein, die Szene ist nicht drin, weil ich es nicht gut fand, dass der Mechanic jemanden umbringen muss. Ich fand es schöner, dass er es mit einer Täuschung schaffte. Er machte sich das Tattoo und kam durch knifflige Tricks ins Gefängnis.
Wat Los?: Aber mal angenommen, die Szene wäre inhaltlich relevant gewesen und hätte dir gefallen: Es gibt ja einige, die dann sagen, wenn sowas passiert, dann soll es sich auch gelohnt haben und dann geht die Szene erst recht in den Film. Wiederum die anderen sagen, aus Respekt vor dem Schauspieler lassen wir das dann raus. Was würdest du dazu sagen?
Dennis Gansel: Nein, das wäre in Ordnung gewesen. Das war unser Stunt Koordinator. Er sagte: „alles gut, mir sind schon ganz andere Sachen passiert, also das kannst du auch reinschneiden“. Es war natürlich dann auch gruselig. Es ist zwar der beste Take, aber man sieht da wie jemand das Bewusstsein verliert. Aber ansonsten hätte ich den auch mit reingenommen.
Wat Los?: Du hast ja mit „Wir sind die Nacht“ einen der besten deutschen Genrefilme gedreht. Könntest du dir vorstellen noch einmal so ein gewagtes Experiment in Deutschland zu starten oder so eher nicht mehr?
Dennis Gansel: Nein. Das Problem ist, es ist wahnsinnig schwierig. Der Film war sehr teuer, aber leider ein großer Flop an der Kinokasse. Deshalb muss ich da sehr vorsichtig sein. Ich versuche es jetzt mit einem nächsten Projekt. Ich drehe „Jim Knopf“ als Realverfilmung. Ich sage aber immer dazu, dass es wenig mit der Augsburger Puppenkiste zu tun hat. Wenn man sich den Roman mal genauer anschaut, hat man eigentlich großen Fantasy und Abenteuer Stoff. Und das ist glaube ich die Chance, dass man eine große Marke nimmt und das fast als deutsches Harry Potter macht. Aber klar, ich würde es mir gerne nochmal wünschen, muss jedoch das nächste Mal ganz genau schauen. Weil es eben leider für Regisseure ein Problem ist, wenn man so ein Risiko eingeht und es dann nicht den gewünschten Erfolg hat. Es ist leider ein urdeutsches Problem, das diese Art von Filmen nicht so gut funktioniert.
Wat Los?: Man hat ja sowohl durch die täglichen Nachrichten mitbekommen, dass viele deutsche Genreregisseure nach Hollywood gehen, wie z.B. Schipper, der einen tollen Film mit „Victoria“ abgeliefert hat und demnächst mit Aronofsky zusammenarbeiten wird. Oder Baran Bo Odar, der mit „Who am I“ den deutschen Genrefilm wieder in die richtige Richtung geführt hat. Was ist eigentlich da los in der deutschen Filmwelt? Wieso gehen alle talentierten Regisseure nach Hollywood?
Dennis Gansel: Ich denke mal, die kommen alle wieder. Der Schipper macht einen Film mit Aronofsky und danach macht er wahrscheinlich wieder einen eigenen Film in Deutschland. Man darf ja nicht vergessen, dass beide viel Kontrolle bei ihren Filmen hatten und ich bin mir nicht sicher, dass das in Hollywood genauso sein würde. Der Bo hat ja auch einen Hollywoodfilm gemacht. Ich glaube aber, er hat bestimmt wieder Lust zurück nach Deutschland zukommen. Weil er sich einfach sagt, hier hat er die 100%ige Kontrolle, welche er dort drüben sicherlich nicht hat.
Wat Los?: Bei welchem Unfall würde dich denn der Mechanic treffen? Seine Vorgehensweise sieht ja meistens aus wie ein Unfall. Was wäre so deine Alltagssituation, wo das quasi dein „Unfall“ wäre?
Dennis Gansel: (lacht) Wahrscheinlich beim Autofahren, wenn ich mal wieder heimlich telefoniere. Der Mechanic würde dann irgendwie im Telefon irgendwas so manipulieren, das ich dann einen Unfall baue und das sieht dann so aus wie, ja klar, er hat ja illegal telefoniert.
Wat Los?: Könntest du dir auch nochmal vorstellen, so einen Actionfilm zu drehen, in der Art wie „Mechanic Resurrection“?
Dennis Gansel: In Deutschland?
Wat Los?: Ja
Dennis Gansel: Es ist schon seit Jahren mein Traum. Ich bin schon mit Jürgen Vogel, Max Riemelt, Elyas M’Barek und allen möglichen Leuten seit Jahren am Überlegen. Wir wollen sowas mal machen. Aber es ist so schwer, dass es selbst mit so einem Traumcast fast unmöglich ist einen Verleiher zu finden, der das finanziert. Weil es eben so wenig läuft. Guck dir Til Schweiger an, selbst er, der größte deutsche Star mit einem Film hat auch nur 800.000 Besucher. Man muss ja schon dankbar sein, dass er sozusagen überhaupt eine Lanze gebrochen hat. Es läuft einfach so schlecht und das ist wie ein Teufelskreis. Alle kreativen Köpfe wollen es machen, aber die Geldgeber sind, man muss leider sagen zu Recht, so skeptisch. Also ich glaube wir werden noch viele Jahre
deutsche Komödien sehen, bevor wir wieder vernünftige
Action bzw. Genrefilme sehen. Jetzt nix gegen deutsche Komödien, da sind großartige Sachen dabei, beispielsweise bei „Fack Ju

Göthe“ habe ich mich weggelacht und Boran hat da ein super Ding hingelegt.
Aber es ist wahnsinnig schwer das Rad rumzudrehen. Deshalb lange Antwort auf eine
kurze Frage: Es ist natürlich ein Traum in Erfüllung gegangen, da dies ein Film ist den ich so in Deutschland ja nie machen könnte. Nicht mal Bora Dagtekin, der erfolgreichste deutscheRegisseur seit vielen Jahren, könnte das machen, weil es uns niemand finanziert. Deswegen ist dieses, ins Exil gehen, absolut notwendig.
"Wat Los?"-Redakteur Marcel Flock (r.) im Gespräch
mit Regisseur Dennis Gansel (l.)
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