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"Jedes Album ist ein Neustart!"

  • Autorenbild: Christian Ehrhorn
    Christian Ehrhorn
  • 25. Jan. 2017
  • 5 Min. Lesezeit

Spätestens seit er gemeinsam mit seinem Bruder den Hit „Sky and Sand“ landete, kennt fast jeder seine markante Stimme. Die Rede ist vom Musikproduzenten und Sänger Fritz Kalkbrenner. Am 24. März kommt er nach Hamburg in die Sporthalle. Wir sprachen mit dem Musiker über sein neuestes Album, die Einflüsse auf seine Musik und Auswirkung von Streamingdiensten auf das Musikbusiness.

Photography by David Rasche | www.davidrasche.de

Wat Los?: Was ist dir denn bei deiner Musik wichtig?

Fritz Kalkbrenner: Dass sie fertig wird. Das ist ja immer ein Arbeitsprozess, der ist ja auch autodidaktisch geprägt. Ich weiß, heutzutage gibt es auch so Schulen, an denen man elektronische Musik lernen kann. Dem gegenüber habe ich aber eine gewisse Grundskepsis.

Aber das ist vielleicht heutzutage so.

Am wichtigsten ist mir, dass alles fertig wird. Und dass man selber zufrieden damit ist. Man könnte an diesen Produktionen rein theoretisch auch weiterarbeiten und noch ein Jahr investieren. Aber man muss so einen Zeitpunkt finden, wo man dann loslässt und dann sagt, schöner wird es nicht. Dass man eben lernt da loszulassen und den Zeitpunkt findet an dem man sagt, das kann man so verantworten.

Wat Los?: Dein neuestes Album hast du „Grand Depart“ genannt, wie den Starttag der „Tour de France“. Was hat es mit dem Titel auf sich?

Fritz Kalkbrenner: Mein Großvater war ein großer Rennrad-Fan. Von daher kannte ich den Begriff. Den kennt ja jetzt nicht jeder auf Anhieb. Für mich war das als Begrifflichkeit gewählt, um sich zu vergegenwärtigen, dass so ein Album auch immer ein neuer großer Start ist. Dass man nicht verführt wird, in so eine Routine zu verfallen. Das will man nicht. Deswegen sollte ein Album auch immer wieder neu und immer wieder spannend für einen selber sein. Und das illustriert dieser Albumtitel.

Wat Los?: Anscheinend magst du das französische ganz gerne. Denn du hast den Sound deines neuen Albums an die Atmosphäre des französischen Kinos der 60er Jahre angelehnt.

Fritz Kalkbrenner: Ja, das kann man so sagen.

Wat Los?: Was gefällt dir an diesem Sound?

Fritz Kalkbrenner: Das ist einfach eine sehr interessante und schön schmeichelnde Klangoberfläche zu der Zeit gewesen. Das hat auch so Producer-Eigenheiten. Heutzutage spricht man ja vom sogenannten Lautheits-Krieg. Dass heute in den Produktionen alle Elemente maximal ausgesteuert sind. Und eigentlich wird man sofort gewalttätig belästigt. Das heißt nicht, dass Musik nicht schlagkräftig sein darf. Aber heutzutage, so eine Pop-Produktion, die ist komprimiert in alle Ecken und Enden. Ganz unangenehm. Und damals, in der Zeit, das war ja immer sehr elegisch und sehr feingliedrig. Sehr gute Atmosphäre und Emotionen sind transportiert worden. Und auch mit den leisen Zwischentönen, das war damals so der Zeitgeist. Und das gefällt mir sehr gut.

Wat Los?: Welche Themen behandelst du denn so in deinen Songs?

Fritz Kalkbrenner: Unterschiedliche.

Also, ich muss sagen, es ist so, dass ich inhaltlich nie darauf eingehe. Was das für mich bedeutet. Das ist so. Das passiert aber nicht ganz unterklärt. Da kann man auch sagen warum das so ist: Wenn der Urheber, in dem Falle ich, mit dem großen Zeigefinger herab deutet und sagt, dieser Song beinhaltet genau das. Nur das ist richtig, alles andere nicht. Dann verschießt man viele Möglichkeiten der Assoziation. Zumal ich auch schon das eine oder andere Mal vollkommen schlüssige Theorien zu Songtexten gehört habe, die von mir überhaupt nicht so gedacht waren. Und das ist natürlich sehr schön, wenn sowas passiert. Und daher will ich dem da auch nicht im Wege stehen, dass es auch weiterhin passiert.

Wat Los?: Mal eine Frage zum Musikbusiness allgemein. Was hältst du von dem Trend: weg von der Platte hin zum Steamingdienst?

Fritz Kalkbrenner: Es ist passiert, es lässt sich jetzt nicht mehr ändern. Die sogenannte Büchse der Pandora ist da geöffnet. Schön für die Konsumenten. Aber aus Musikantensicht ist es nicht so schön. Weil natürlich viel mehr Focus auf funktionierende Singles gerichtet wird. Es muss halt laufen, laufen, laufen. Und Songs, die eher so stillen Zwischentönen dienen, das ist halt immer schlechter umzusetzen. Dass dann gesagt wird, für zwei Millionen Plays bekommt er 0,0003 Cent. Dafür kannst du einmal zum Bäcker gehen. Ein Künstler, der schwach auf den Beinen ist oder einfach nicht tourt, sondern nur Platten macht, der kann dann noch so ein Jahr von seinem Ersparten leben. Und dann muss er wieder in einen anderen Beruf gehen. Und das tötet eben ganz viel musikalische Vielfalt ab. Weil nur die, die auch wirklich nebenbei touren davon leben können. Die Aussagen „hey, es ist doch schön, das hören viele Leute“ ist für den der tourt vielleicht gut und macht vielleicht in irgendeiner Kombination Sinn. Ich wüsste nicht in welcher. Aber für die, die nur Musik machen, ist es wirklich nicht gut.

Wat Los?: Ist das nicht auch etwas unpersönlich dem Künstler gegenüber?

Fritz Kalkbrenner: Joa, das hat mit der Verschiebung zu tun. Ich komme aus einer Generation, wo Musik noch einen Wert hatte. Heute ist es nur so eine Begleit-App. Es läuft so nebenher. Man hat eine schöne Playlist. Jeder Song ist gut. Aber man interessiert sich nicht wirklich dafür, wer das ist. Wie viel da drin steckt. Das zieht alles nur noch so vorbei.

Wat Los?: Wo du gerade die Playlist ansprichst. Wenn du eine Playlist mit deinen Lieblingssongs machen müsstest, was würde da so drauf sein?

Fritz Kalkbrenner: Ganz schön viel. Ich habe 12.000 bis 15.000 Platten zu zu Hause. Da könnte ich dann eine Weile erst mal suchen. Ganz viel, The Crusaders, J Dilla, Marvin Gaye, das Gespräch könnten wir noch zwei Stunden lang führen (lacht).

Wat Los?: Gibt es Musiker, die dich inspiriert haben oder es noch tun?

Fritz Kalkbrenner: Ja, selbstverständlich. Viele abertausende. Kein Künstler schöpft nur ausschließlich aus sich selber. Das ist ein Irrglaube. Es gibt viele große Heroen und Helden, deren Großartigkeit man nie erreichen wird. Gegen die man nur der Dreck unter den Fingernägeln ist, auf ewig. Aber das ist auch vollkommen in Ordnung. Das geht ja so weiter. Die hatten ja auch Helden. Und deren Helden hatten bestimmt auch Helden. Und als soziales Wesen ist es für Künstler immer gut, Vorbilder zu haben. Weil man da einen gewissen Grad an Demut der Situation gegenüber bekommt. Weil die Leute einfach unterschiedlich sind. Man kann nur der sein, der man wirklich ist. Oder sonst betreibt man so eine Art Mimikry, was dann nicht der Wahrheit entspricht.

Bei mir ist es ein ganzes Universum an Leuten, die da eine Rolle gespielt haben.

Wat Los?: Du hast ja auch schon mit deinem Bruder Paul Kalkbrenner zusammen Musik gemacht. Wird es nochmal eine Zusammenarbeit geben, wie bei „Sky and Sand“?

Fritz Kalkbrenner: Ne, das ist nicht geplant. Wir sind beide beschäftigt in eigener Arbeit. Und das brennt uns zurzeit auch nicht unter den Fingernägeln.

Wat Los?: Bist du denn in diesem Jahr mit deiner Tour voll ausgelastet oder wirst du noch neue Songs produzieren?

Fritz Kalkbrenner: Da man das ja gerne macht, bastelt man natürlich nebenbei noch immer. Es ist nicht so, dass ich sage, so jetzt habe ich ein Album fertig, jetzt spiele ich nur Tour, fahre Fahrrad und gehe nicht ins Studio. Ne, so läuft das natürlich nicht. Ab und an ergreift einen natürlich die Lust und so geht das dann in einem kontinuierlichen Prozess immer weiter. Man fängt dann wieder an, neue Ideen zu sammeln. Die sind dann zwar noch nicht so ausgearbeitet und brauchen dann auch ihre Zeit. Aber das erste Festhalten geschieht. Das ist ja so bei Sachen die man gerne macht, da muss man sich ja nicht zwingen. Da fängt man gleich wieder das Basteln an, weil es so schön ist.

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