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"Oberflächlichkeit ist Zeitverschwendung!"

  • Autorenbild: Christian Ehrhorn
    Christian Ehrhorn
  • 26. Okt. 2016
  • 7 Min. Lesezeit

Sie gehört zu den Top-Stars in Hollywood: Jennifer Connelly. Gemeinsam mit ihrem Co-Star und Regisseur Ewan McGregor kam sie zum Filmfest Hamburg, um ihren neuen Film „Amerikanisches Idyll“ vorzustellen. Wir trafen die 45-Jährige zum Interview und sprachen mit ihr über ihr neues Projekt, ihr Leben zwischen Film und Familie und die Oberflächlichkeit von Hollywood.

Foto: Tobis

Wat Los?: Wir haben gehört, für Ihre Rolle in „Amerikanisches Idyll“ mussten Sie eine schmerzhafte Prozedur über sich ergehen lassen, um in dem Film ein Facelifting zu simulieren. Jennifer Connelly: Oh ja. Es war teilweise recht schmerzhaft. Aber man konnte es aushalten. Ich habe einen Make-Up-Artist, mit der ich schon seit vielen Jahren zusammenarbeite. Genau wie mit meinen Haarstylisten. Und die hatten einige Tricks auf Lager um es so aussehen zu lassen, als hätte ich ein Facelifting gehabt. Zum Beispiel wurden meine Haare extrem straff nach hinten verdreht, damit meine Haut straffer wird. Es war uns wichtig Methoden zu finden, die unterschiedlich genug aussehen, ohne dass wir Computereffekte einsetzen mussten. Es war ein wenig unbequem, aber da musste ich durch (lacht).

Wat Los?: In dem Film taucht Merry, die Tochter Ihres Charakters Dawn, plötzlich unter und niemand weiß, was mit ihr geschehen ist. Können Sie ein wenig erzählen, was das mit Ihrer Rolle macht, wie sie sich dabei verändert? Jennifer Connelly: Sie wartet eine lange Zeit auf ein Lebenszeichen ihrer Tochter. Und es ist eine harte Zeit für sie, die ganzen Jahre abzuwarten und nichts tun zu können. Bereits vorher, als die Tochter sie ablehnt, ist es keine leichte Zeit für sie. Gerade weil die Beziehung zu ihrer Tochter, als sie noch klein ist, die wichtigste in ihrem Leben ist. Daher ist es für sie unerträglich, als sie später von ihr abgelehnt wird. Dann verschwindet die Tochter. Und nicht zu wissen wo sie ist, ob sie noch am Leben ist, ob sie zurückkommt und sie ihre Tochter jemals wiedersieht, das kann sie unmöglich aushalten. Als dann jemand kommt, ihr Hoffnung gibt, sie könnte ihre Tochter wiedersehen und sich das jedoch als eine falsche Hoffnung herausstellt, zerstört es sie komplett. Sie weiß, sie kann das so nicht überleben. Deswegen reißt sie ihr ganzes Leben auseinander und lässt es hinter sich. Ihre Ehe, ihre Familie, ihre Geschichte. Und das einzige was sie noch tun kann, ist in die Zukunft zu blicken und ihre Vergangenheit hinter sich zu lassen. Deswegen beginnt sie das Haus umzugestalten und versucht zwanghaft jung und modern zu werden. Deswegen will sie auch ein neues Gesicht und entscheidet sich für ein Facelifting. Und ich denke sie ist eine sehr tragische Figur. Das alles zeigt, wie sehr sie ihre Tochter liebt und diese Situation nicht als dieselbe Person überleben kann. Und das traurige daran ist, dass sie dadurch so wird, wie sie es eigentlich nie mehr sein wollte. Als sie jung war, ist sie aus dem Leben als Schönheitskönigin geflohen. Man betrachtet sie immer nur äußerlich. Diese oberflächliche Welt wollte sie hinter sich lassen. Aber der schmerzliche Verlust ihrer Tochter treibt sie wieder genau dort hin.

Wat Los?: Ist Ihr Charakter darüber selber verärgert oder enttäuscht, wieder in das oberflächliche Leben zurückzukehren? Jennifer Connelly: Ja, das merkt man besonders in einer Szene, wo sie betrunken und nackt in der Fabrik ihres Mannes auftaucht. Dort sieht man ihre Wut und ihre Verzweiflung. Weil die Gesellschaft ihr immer gesagt hatte, sie sei nicht mehr als ein schönes Gesicht. Sie wollte jedoch immer zeigen, dass mehr hinter dieser hübschen Fassade steckt. Und jetzt zu merken, dass die anderen immer recht damit hatten. Sie hat damit nicht nur ihre Tochter verloren, sondern in gewisser Weise auch sich selbst.

Wat Los?: Auf die Kinder in der heutigen Zeit wird so viel Druck ausgeübt, durch die Erwartungen, welche die Eltern an die Kinder haben. Sie selber haben auch Kinder. Und auch ihr Mann Paul Betanny ist ein berühmter Hollywoodstar. Wie gehen sie mit diesem Druck um, den ihre Kinder möglicherweise fühlen? Jennifer Connelly: Als Eltern macht man immer wieder Fehler. Ich denke das geht allen so. Über die Jahre hinweg haben meine Kinder aber gelernt, dass sie mit mir über diese Fehler reden können. Ich versuche viel mit ihnen zu kommunizieren. Mittlerweile hat keiner der beiden ein Interesse daran, in unserem Business zu arbeiten. Mein ältester Sohn ist im zweiten Jahr auf der Universität und studiert Maschinenbau. Und darin ist er sehr gut (lacht). Unser Kleiner ist Musiker. Er liebt die Musik. Das ist einfach seine Leidenschaft. Wir haben alle ein unterschiedliches Leben.

Wat Los?: Wie gehen ihre Kinder denn mit dem Ruhm von Ihnen und Ihrem Mann um? Trennen sie die Filmstars von den Privatpersonen Zuhause? Jennifer Connelly: Also, unsere Kinder sind sich schon bewusst, dass wir viel durch die Welt reisen und eine Menge Leute Fotos mit uns machen wollen (lacht). Sie wissen was wir tun. Ich kann natürlich nicht genau sagen, was sie denken. Aber ich glaube, das war nie ein Faktor für sie, uns anders zu behandelt, als wenn wir nicht so bekannt wären. Jedenfalls haben sie es uns nie gezeigt. Es gibt eine peinliche Situation an die ich mich erinnere: Mein Sohn hatte in letzten Jahr einen Kurs an der Universität mit dem Titel „Der Islam in Amerika“. In diesem Kurs sahen sie den Film „Haus aus Sand und Nebel“, in dem ich mitspiele. Danach haben sie lange über diesen Film diskutiert. Und es war ihm wohl ziemlich unangenehm. Seine Freunde fragten ihn immer „ist das nicht komisch für dich“. Aber er hat es gut überspielt (lacht). Ich denke es ist ähnlich, als wenn einer der Eltern Schriftsteller ist und eines der Bücher im Unterricht durchgenommen wird.

Wat Los?: Der Film und das Buch „Amerikanisches Idyll“ spielen in den 60ern. Aber hat die Geschichte nicht große Parallelen zur Rekrutierung von jungen Menschen durch den IS heutzutage? Jennifer Connelly: Ich denke die Kämpfe, die in dem Buch und in dem Film ausgetragen werden ähneln sehr den Bildern, die wir heute in den Nachrichten sehen. Und viele Themen aus dem Buch werden auch heute wieder diskutiert. Es ist aber auch ein Buch, das sich sehr an der Zeit von damals orientiert. Aber Fragen, die damals gestellt wurden, sollte man heute auch wieder stellen. Für mich persönlich sind es Fragen, wie wir in der Gesellschaft auf andere blicken. Besonders im Hinblick auf die Hautfarbe. Und wie komplex wir als Menschen sind. So, dass es den Leuten die Möglichkeit gibt, die unterschiedlichen Menschen zu kategorisieren und sie auf eine völlig falsche Weise zu betrachten und sie misszuverstehen. Darum geht es auch im Buch. Und so ist auch heute noch. Wahrscheinlich mehr als jemals zuvor. Wir wiederholen die Fehler der Vergangenheit.

Wat Los?: In dem Film stottert die Tochter Ihres Charakters. Beim Besuch eines Therapeuten, sagt dieser, dass es daran liegen könne, dass sie durch die augenscheinliche Perfektion ihrer Eltern unter Druck stehen würde. Besonders wegen ihrer Mutter als Schönheitskönigin. Und dass die Eltern ihre Tochter immer völlig missverstanden haben. Was denken Sie darüber? Jennifer Connelly: Ich denke, dass die Ursachen für das Stottern vielfältig sind und sich nicht nur darauf beziehen lassen. Zumal Dawn und ihr Vater Swede immer wieder sagen, wie lächerlich es ist, die Menschen nur nach ihrem Äußeren zu beurteilen. Und nach all den Jahren die sie als Familie auf dem Land leben, sieht Dawn sich nicht mehr als die Schönheitskönigin. Aber von ihrer Tochter bekommt sie immer wieder Sätze zu hören wie „Dawn, die Lady des Herrenhauses. Alles an dir ist falsch.“ Worauf Dawn dann fragt, wovon sie redet, weil sie einfache Farmer sind und sie seit Jahren Scheiße schippt. Aber kommuniziert Dawn unterbewusst etwas Anderes an ihre Tochter. Die sind eben nicht immer einfach schwarz und weiß. Vielleicht macht es einen Teil der Ursachen aus. Es stimmt aber auch etwas mit dem Mädchen nicht. Etwas wildes Dunkles wächst in ihr. Sie verweigert immer mehr die amerikanischen Werte. Das ist etwas, was ihr Vater Swede einfach nicht sehen will. Er versucht ihr immer wieder die Wildheit auszutreiben, was sie nur immer weiter radikalisiert. Aber es ist nicht genau zu sagen, wer Schuld an der Sache hat.

Wat Los?: Ihr Rolle Dawn ist eine starke und intelligente Frau, die immer wieder nur auf ihr Äußeres reduziert wird. Ist das etwas, was sie persönlich kennen? Denn in Hollywood werden besonders die weiblichen Stars oft nur aus ihr Äußeres beschränkt. Jennifer Connelly: Die Leute reden übereinander. Das ist nicht nur in Hollywood so. Ich denke das ist eine Sache unserer Kultur. Das ist aber nicht meine Art zu leben. Mit so etwas verschwende ich nicht meine Zeit. Ich beurteile jemanden nach anderen Werten, nicht nur nach dem Äußeren. Ich beschäftige mich mit der Welt auf eine andere Art. Ich habe studiert, bin Mutter. Ich reise und entdecke die Welt, mache Filme und kann mich kreativ ausleben. Ich habe gelernt, die Welt nicht nur oberflächlich zu sehen. Daher finde ich es eine Schande, wie Leute über andere Personen reden. Frauen mehr als Männer. Da wird ein Foto gemacht und dann wird gleich über das Alter, den Namen, physische Merkmale oder die Kleidung gelästert. Und das finde ich sehr seltsam, jemanden nur nach solchen Kriterien zu beurteilen.

Wat Los?: Wie wählen Sie Ihre Rollen aus? Was braucht ein Skript, damit Sie sich dafür interessierten? Jennifer Connelly: Ich liebe meine Arbeit und bin mit viel Leidenschaft dabei. Daher ist es immer unterschiedlich, wie ich meine Rollen auswähle. Wenn ich etwas habe und merke, da will ich unbedingt dabei sein, dann mache ich das. Manchmal ist das gesamte Thema, was mich interessiert. Oder auch nur der Charakter. Es kann auch sein, dass es der Regisseur ist, der mich zu einem Film hinzieht. Bei manchen Filmen kommt da auch alles zusammen. Wenn z.B. Martin Scorsese einen Film macht, in dem ich einen interessanten Charakter als Gegenüber von Marly Streep spielen soll, wäre ich sofort dabei (lacht). Sowas passiert aber leider nicht oft. Ich versuche einfach genug Elemente zu finden, die mich überzeugen einen Film zu machen.

Wat Los?: Wie schwer war die Entscheidung diesem Projekt zuzustimmen, in dem Ewan McGregor zum ersten Mal Regie führt? Jennifer Connelly: Ich hatte dem Projekt bereits zugestimmt, bevor Ewan als Regisseur feststand. Zu Anfang sollte jemand anders Regie führen. Ewan und ich waren von der Geschichte angetan und auch von der Idee zusammenzuarbeiten. Dann ist der eigentliche Regisseur abgesprungen. Und man hat entschieden, dass Ewan dann die Regie übernehmen wird. Also habe ich mich mit ihm getroffen und habe mir gedacht, warum sollte er nicht Regie führen können. Er hatte eine große Leidenschaft für die Geschichte. Und so wurde das Projekt noch interessanter.

Wat Los?: Und hat Ewan seinen Job gut gemacht? Würden Sie nochmal mit ihm als Regisseur drehen? Jennifer Connelly: Ja, er hat es super gemacht. Und ich würde jederzeit wieder mit ihm drehen.

Wat Los?: Also war es ein Vorteil mit einem Regisseur zu arbeiten, derSchauspielerfahrung hat? ​​Konnte er bessere Anweisungen geben als ein Regisseur ohne die Erfahrung? Jennifer Connelly: Ewan geht als Regisseur sehr sensibel mit den Schauspielern um. Er konnte sich gut in die anderen Schauspieler hineinversetzen. Oft fällt es Regisseuren schwer, den Akteuren ihre genaue Vision richtig zu vermitteln. Und das hat Ewan gut

hinbekommen. Man konnte auch mehr Sachen ausprobieren, er hat den Schauspielern mehr Freiheiten gelassen. So hat man sich besser dabei gefühlt Szenen zu spielen, in denen man sich schlecht fühlen soll (lacht). Für mich war es eine tolle Erfahrung.

Foto: Filmfest Hamburg / Martin Kunze

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