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"Amerika ist nicht, wie Hollywood es zeigt!"

  • Autorenbild: Christian Ehrhorn
    Christian Ehrhorn
  • 26. Okt. 2016
  • 7 Min. Lesezeit

Sie ist einer der überraschendsten Newcomer der Kinolandschaft: Sasha Lane. Nur drei Wochen vor dem Drehstart des Films „American Honey“ von Regisseurin und Oscarpreisträgerin Andrea Arnold wurde die 21-Jährige am Strand während des Spring Break entdeckt. Ohne jegliche Schauspielerfahrung. Doch in ihrer Rolle als „Star“ zeigte Sasha Lane, welches Naturtalent in ihr steckt und überzeugte Kritiker und Zuschauer gleichermaßen. Auf dem Filmfest Hamburg trafen wir die Schauspielerin sowie Regisseurin Andrea Arnold zum Interview.

Foto: Holly Horner

Wat Los?: „American Honey“ ist Ihr erster amerikanischer Film. Sie zeigen dort ein Bild von Amerika, wie es kaum einer außerhalb des Landes kennt. Sie selber sind mit jungen Leuten durch Amerika gefahren und haben dieses Leben gelebt, welches wir in dem Film sehen. Wie viel von Ihren Erfahrungen spiegelt sich in dem Film wieder? Andrea Arnold: Der Film zeigt nur meine Erfahrungen, weil er ja von mir gemacht wurde. Und es war eine ganz besondere Erfahrung für mich. Ich kannte Amerika sonst nur aus Filmen. Und die Kultur, die ich dann dort vorgefunden habe, war wirklich kurios für mich. Seit ich ein Kind war, hatte ich ein bestimmtes Bild von Amerika. Und als dann erlebt habe, wie die jungen Leute dort leben, hat sich dieses Bild komplett verändert. Für mich war es auch einfach toll, mal ein Jahr durch das Land zu reisen und alle die schönen Orte dort zu sehen. Das war für mich das aufregendste an der ganzen Sache. Und ich denke, ich hatte großes Glück dies einmal machen zu können. Auch die ganzen jungen Leute kennenzulernen. Ich habe die ganze Zeit mit ihnen zusammengelebt, bin mit von Motel zu Motel gezogen. Zwar nicht so intim wie sie es untereinander tun, aber doch schon sehr nah dran. Es wäre für mich gar nicht möglich gewesen diesen Film zu machen, ohne diese Erfahrungen gesammelt zu haben. Der Film ist eine Mischung aus meiner Phantasie und meinen persönlichen Erfahrungen.

Wat Los?: Sasha, spiegelt der Film auch deine Sicht und Erfahrungen vom Leben in Amerika wieder? Sasha Lane: Ja, ich bin in diesem Teil von Amerika aufgewachsen und mit dieser Lebensart. Ich denke Andrea hat das gut eingefangen und zeigt mit viel Respekt den Menschen in anderen Ländern ein völlig anderes Bild von Amerika, als dass man gewohnt ist. Die meisten kennen nur die Hollywood-Version von Amerika. Doch die Realität sieht ganz anders aus. Und zeigt der Film auf eine tolle Weise.

Wat Los?: Das Thema selber ist sehr faszinierend. Diese Guerilla-Art des Verkaufens und damit durch das ganze Land zu fahren. Dieser eigene Mikrokosmos innerhalb des Landes. Ist diese Arbeit lukrativ für die jungen Leute? Welche Erkenntnisse habt ihr auf euren Reisen gewonnen? Andrea Arnold: Ich war selber auch total fasziniert davon. Von diesen Gangs aus Kids, die durch Amerika fahren und Dinge verkaufen. Die jungen Leute kommen von überall aus Amerika und schließen sich diesen Gruppen an. Sie wollen sich ihren eigenen amerikanischen Traum verwirklichen. Das fand ich unheimlich interessant. Und dass sie oft Print-Magazine verkaufen, ist schon irgendwie symbolisch. Es geht alles immer weiter in den Online-Bereich. Und sie sind für die Verlage noch die letzten, die diese Magazine noch verkaufen. Als ich Freunden in New York von der Idee erzählt habe, sagten diese gleich, sie hätten noch nie etwas davon gehört. Da kannte das keiner. Als wir dann aber im mittlernen Westen waren und an verschiedene Türen klopften, da kannten fast alle die herumziehenden Banden. Das interessante ist, die Leute kaufen im eigentlichen nicht die Magazine, sie kaufen die Person. Sie kaufen nur, um diesen jungen Leuten zu helfen. Und das machen sich die jungen Leute auch zu Nutze.

Wat Los?: Sasha, als Ihr den Film gedreht habt, hast du dabei Amerika anders kennengelernt, als du es vorher kanntest? Sasha Lane: Ich kannte das alles. Von dort komme ich. Ich war selber schon an dem Tiefpunkt, so etwas machen zu müssen. Diese Art von Leben habe ich selber gelebt. Und es hat mich schon umgeben. Deswegen habe ich bei dem Film mitgemacht. Weil ich mir dachte, dass muss gezeigt werden. Die Geschichte dieser Leute muss erzählt werden. Es ging mir nicht darum, etwas über Amerika zu lernen. Es ging mir darum, diese Seite von Amerika zu zeigen und es mit anderen zu teilen. Zu zeigen, dass es so etwas wirklich gibt. Wat Los?: Wenn ich es richtig verstanden habe, hat Andrea dich gefragt, ob du bei dem Film mitmachen möchtest. Du hast dann etwas Bedenkzeit gebraucht, und dich dann entschieden vorzusprechen. Gab es für dich einen Moment, in dem du für dich gesagt hast, du willst diesen Film unbedingt machen? Sasha Lane: Zu Anfang habe ich gar nicht so viele Informationen bekommen, worum es überhaupt geht. Ich wusste nur, dass es um eine Gruppe von Kids geht, die herumreist. Dann bekam ich etwas mehr von der Story zu hören und wusste sofort, das will ich machen. Das ist etwas, was gezeigt werden muss.

Wat Los?: Nach der Erfahrung die du jetzt gemacht hast, wirst du im Filmbusiness

bleiben?

Sasha Lane: Aufgrund der Geschichte, die der Film erzählt, wollte ich einfach bei dem Film dabei sein. Ein Teil davon zu sein, war einfach toll. Als wir dann gefilmt haben, kam dieser Wow-Effekt.

Gerade wenn man sieht, wie viele Leute an so einem Film mitarbeiten. Es hat mir einfach großen Spaß gemacht. Als dann die ersten Leute den Film gesehen haben und die Reaktionen darauf so großartig ausfielen, war ich total stolz und froh, dass ich bei dem Film dabei sein konnte.

Was das Business angeht, mein Ziel war es, dem Film mehr Realität und Persönlichkeit zu geben. Für diesen Film hat es gepasst, aber ich weiß nicht, ob dieses Business auf lange Sicht etwas für mich ist. Ich werde trotzdem erstmal weiter Filme machen. Es sind schon zwei in Aussicht. Genau wie dieser Film, werden sie nicht dem Mainstream entsprechen. Es ist mir wichtig, mit den Filmen eine Botschaft zu übermitteln. Etwas, was die Zuschauer aufrüttelt. Ich möchte mich selbst und Dinge, die mir wichtig sind, repräsentieren. Natürlich werde ich nicht nur solche Filme machen. Aber zum Großteil. Denn das ist überhaupt der Grund, warum ich weiter Filme mache.

Wat Los?: Vergleicht man deinen Charakter Star mit dir persönlich, wie nah kommt die Filmversion an die Realität heran? Sasha Lane: Sehr nah. Mich verbindet sehr viel mit Star. Deswegen war ich auch mit so viel Leidenschaft dabei. Und das ist auch das großartige an dem Film. Weil es so viele andere Leute da draußen gibt, die sich selber in dem Charakter wiederfinden. Oder auch ihre Freunde oder Bekannten. Es gibt unzählige Stars da draußen.

Wat Los?: Neben den Charakteren spielt auch die Musik eine wichtige Rolle in dem Film. Habt Ihr einen Lieblingssong? Sasha Lane: Ich mag am liebsten „God´s Whisper“ von Raury. Und den Lapsey Song „8896“. Andrea Arnold: Den hast du auch selber ausgesucht (lacht).

Wat Los?: Wie habt ihr die verschiedenen Songs ausgesucht? Es sind ja ganz unterschiedliche Genres. Andrea Arnold: Ja, Chillout, Pop, Country. Ich liebe Country (lacht). Die Songs sind ganz unterschiedlich zusammengekommen. Bei einigen dachte ich mir schon beim Schreiben, dass die zu dieser Szene passen würden. Manchmal haben wir dann auch beim Drehen gemerkt, dass es doch so gar nicht passt. Dann haben die Schauspieler auch mal Titel vorgeschlagen.

Wir haben auch geguckt, was die jungen Leute so für Musik hören, um auch das genauso zu reflektieren. Ich wollte einfach, dass die Musik nicht wie ein Soundtrack wirkt, sondern in die Situationen integriert wird. Die Musik, die die Zuschauer hören, hören die Charaktere meist auch selber gerade. Es musste auch zu den Emotionen passen. Und bei einigen Songs hatten wir bei der Vorauswahl auch völlig danebengegriffen und die Schauspieler riefen gleich „spiel diesen Song nie wieder“ (lacht).

Wenn wir die Musik im Bus gespielt haben, mit dem die jungen Leute im Film durch das Land reisen, dann mussten dabei Emotionen aufkommen. Passierte dies nicht, war es einfach der falsche Song. Die Musik hatte einen eigenständigen Entstehungsprozess während des Filmens, in den alle Beteiligen involviert waren. Ich genauso wie die Schauspieler und die Produzenten. So bekam die Musik einen eigenen Charakter.

Wat Los?: Bei all der Musik, habt ihr denn auch am Ende der Drehtage auch zusammen gefeiert? Sasha Lane: Na klar (lacht). Im Laufe der Zeit wurden wir alle am Set zu einer richtigen Familie. Wir wollten einfach alle zusammen sein. Die Chemie zwischen uns allen stimmte einfach.

Andrea Arnold: Aber es war hart für Sasha. Denn im Gegensatz zu den anderen Schauspielern, ist sie in jeder Szene zu sehen und musste daher jeden Tag arbeiten. Zwischen 12 und 14 Stunden. Und wenn wir dann wieder zu den anderen kamen, hatten die sie schon total vermisst und holten sie gleich zu sich um Party zu machen. Es war schon nicht leicht für sie.

Wat Los?: Wann hast du denn nach den Dreharbeiten mal geschlafen? Sasha Lane: Ich konnte gar nicht schlafen. Es war immer etwas los. Aber ich habe auch schon mal zwei Wochen lang rund um die Uhr Party gemacht (lacht).

Wat Los?: Der Film geht über 160 Minuten. War es von Anfang an geplant, den Film so lang zu machen. Oder ergab es sich während der Dreharbeiten? Andrea Arnold: Ich finde die Diskussionen um das Thema der Filmlänge sehr interessant. Weil, warum kann ein Film nicht beliebig lang sein?

Natürlich gibt es Leute die sagen, der Film ist zu lang. Für die wäre der Film aber auch mit zwei Stunden zu lang. Man muss einfach den Fakt akzeptieren, dass der Film so lang ist. Die Länge reflektiert die lange Reise, die wir hinter uns haben. Ich wollte, dass jeder in dem Film seine Zeit bekommt. Das war mir wichtiger, als den Film auf die gewöhnliche Länge von zwei Stunden zu kürzen. Das einzige was sich bei der Länge als ein Problem darstellt, ist das einige Kinos nur eine Zeit von zwei Stunden für einen Film vorgesehen haben und wir daher weniger Vorstellungen bekommen. Aber, warum muss ein Film nur zwei Stunden dauern ? Wenn einem das zu lang ist, braucht man den Film nicht zu gucken.

Sasha Lane: Das sollte man alles etwas entspannter sehen. Man muss sich einfach von dem Film mit auf unsere Reise nehmen lassen. Dann achtet man gar nicht mehr auf die Zeit.

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