Stimmen Wunder
- Christian Ehrhorn
- 25. Mai 2016
- 7 Min. Lesezeit
„Mein Name ist Bond, James Bond!“ Jeder, der die neueren Bond-Filme kennt, hat diesen Satz im Ohr. Doch er stammt nicht von Daniel Craig. Er stammt von einem ganz anderen: Dietmar Wunder. Der 50-Jährige ist unter anderem die Deutsche Stimme von Daniel Craig. Wir sprachen mit dem „Stimmenwunder“ über seine Arbeit als Synchronsprecher, die Kunst des Sprechens und deren Bedeutung in der Film- und Fernsehlandschaft. In diesem Jahr startet die Ausstellung „Faces behind the Voices“, welche durch ganz Deutschland reist und in 2017 auch nach Hamburg kommt. Darin werden die 30 bekanntesten Synchronsprecher dem Publikum vorgestellt und, wie der Titel schon sagt, die Gesichter hinter der Stimme gezeigt. Auch Dietmar Wunder ist mit dabei.

Foto: M. J. Schöler / www.facesbehindthevoices.de
Wat Los?: Was hat Sie an der Ausstellung „Faces behind the Voices“ begeistert, dass Sie dort mitgemacht haben?
Dietmar Wunder: Für mich war die Idee Fotos von uns zu machen und uns vorzustellen sehr spannend. Weil das ist natürlich nicht so unser Berufsfeld. Das besteht ja draus, dass wir letztendlich verschmelzen mit den Charakteren, die wir synchronisieren und das man als Zuschauer nachher natürlich gar nicht mehr darüber nachdenken soll, dass da andere Schauspieler hinter dem originalen Schauspielern stehen. Sondern man einfach nur den Eindruck hat, Daniel Craig oder Adam Sandler spricht Deutsch. Und da soll man gar nicht drüber nachdenken, wer die Menschen dahinter sind. Aber dass das jetzt thematisiert wird und mal vorgestellt wird, ist zum einen für das Publikum natürlich eine ganz tolle Möglichkeit auch mal uns Schauspieler kennenzulernen, wie wir mit den Charakteren verschmelzen. Einen Eindruck zu bekommen, wie sehen die aus, wie hören die sich an, was sind das für Menschen.
Und dann ist es für uns natürlich auch eine schöne Art in die Öffentlichkeit getragen und vorgestellt zu werden. Und das ist eh eine Tendenz, die gerade von statten geht. Das halt immer mehr Interesse an der Kunstgattung, Synchron existiert. Das finde ich sehr schön.
Wat Los?: Wie sie schon erwähnten, sprechen Sie unter anderem Daniel Craig und Adam Sandler. Ist es nicht schwer, zwei so unterschiedlichen Schauspielern die Stimme zu leihen?
Dietmar Wunder: Für mich ist erst einmal sehr schön, so extrem unterschiedliche Charaktere zu synchronisieren. Also wenn man jetzt einfach mal Daniel Craig nimmt, seine Paraderolle ist natürlich James Bond, aber auch in den anderen Rollen, die er gespielt hat, ist er natürlich ein sehr cooler, minimalistischer Schauspieler. Also der macht nicht viel, er betreibt nicht viel Aufwand, gerade bei James Bond ist es sehr genau, sehr auf den Punkt gespielt. Und im Deutschen diese Genauigkeit zu transportieren, ist für mich als Schauspieler eine ganz tolle Möglichkeit, den Helden beziehungsweise den coolen Geheimagenten zu spielen und dieses trotzdem sehr Akkurate und Genaue rüberzubringen. Das macht großen Spaß. Und dann das ganz andere ist ein Komödiant, wie Adam Sandler, der ja ganz anders spielt und sich auch ausdrückt in seiner Art. Und das ist für mich als Schauspieler natürlich genau das, was die Faszination Schauspiel ausmacht. Je unterschiedlicher die Charaktere, je mehr ich mich austoben kann, desto schöner ist es. Und da sind gerade Rollen, wie Daniel Craig sie spielt oder dann der Adam Sandler, für mich natürlich ein wahres Betätigungsfeld als Schauspieler.
Wat Los?: Wenn Sie Adam Sandler sprechen, rutscht ihre Stimme auch etwas höher, als wenn Sie z.B. Daniel Craig sprechen.
Dietmar Wunder: Ja. Ich versuche es immer so zu beschreiben: Ich habe ja ein bestimmtes Stimmenvolumen. In diesem Stimmenvolumen, da gibt es Tiefen und Höhen. Wenn ich den Originalton höre von Adam Sandler, oder auch Don Cheadle oder Sam Rockwell, die ich auch synchronisiere, dann setzt bei mir automatisch der jeweilige Stimmenpart ein. Dass, was Adam Sandler hat, dieses höhere, das ist eben das Lächeln in der Stimme. Das ist dann bei mir so, dass sich die Schublade dieses Stimmenvolumens öffnet und ich dieses dann nutze. Und Daniel Craig spielt ja, wie schon erwähnt, sehr zurückgenommen, auf den Punkt gespielt. Und dann rutscht automatisch, wenn ich seine Stimme im Original höre, meine Stimme tiefer.
Wat Los?: Es gibt oft eine Diskussion über die Berufsbezeichnung. Was bevorzugen Sie, Synchronsprecher oder Synchronschauspieler?
Dietmar Wunder: Das ist immer schwer zu beschreiben. Also wir sind Schauspieler, die synchronisieren. So würde ich es am ehesten beschreiben. Der normale Begriff ist sicherlich Synchronsprecher, wenn man jetzt das Publikum fragen würde. Das verführt natürlich so ein bisschen dazu, zu sagen, die sprechen das nur nach, was natürlich überhaupt nicht stimmt. Weil wir spielen das schon nach. Es wäre natürlich immer zu kompliziert zu sagen, wir sind Schauspieler die synchronisieren. Deswegen ist es so, dass ich sagen würde, wir sind Synchronschauspieler. Der Begriff Synchronsprecher kommt wahrscheinlich einfach nur dadurch zustande, weil man sagt, in ihrem Betätigungsfeld müssen sie mit Sprache umgehen.
Wat Los?: Wenn Sie eine Rolle bekommen, wie z.B. James Bond, wie bereiten Sie sich darauf vor? Dietmar Wunder: Es ist letztendlich so beim Synchronisieren, dass wir in die unmittelbare Szene oder die unmittelbare Situation und Emotionen einsteigen. Also ich habe nicht die Möglichkeit wie ein Schauspieler am Set, z.B. drei Monate vorher, das Drehbuch zu bekommen, dann zu proben und sowas. Und das ist im Grunde genommen auch die Kunst, dass wir den Film vielleicht ein oder zwei Mal im Vorfeld sehen und dann die eigentliche Arbeit im Synchron-Atelier stattfindet. Dass man wirklich unmittelbar in diese Szene reinspringt und dann anhand der Schauspielerei wirklich in dem Moment begreift und umsetzen muss, was der Originalschauspieler einem jetzt vorgibt. Und was ich immer versuche zu beschreiben, es ist letztendlich so, wie Schauspielen im Kopf. Also wenn mein Schauspieler rennt, dann muss ich natürlich wissen, wie fühlt sich das an, wenn ich veratmet klinge, wenn ich kämpfe und so weiter. Das heißt, ich mache minimalistische Bewegungen, aber muss auch vom schauspielerischen her wissen, wie fühlt sich das an, wenn ich z.B. gewürgt werde oder wenn ich weine. Dass ich es nicht nur technisch herstelle, sondern durch so eine Art Schauspielerinnerung so authentisch wie möglich wiedergebe. Also es ist nicht so, dass ich monatelang in einem Smoking im Aston Martin durch die Gegend fahre (lacht).
Wat Los?: Gerade Dinge, wie laufen oder kämpfen, sind sicherlich schwer zu synchronisieren, da sich so gut wie nicht bewegen dürfen. Dietmar Wunder: Ja. Was ich manchmal für mich mache, dass ich vorher auf der Stelle hüpfe bzw. springe oder ein paar Push-Up‘s mache, dass man halt außer Atem ist. Dadurch klingt man schon etwas veratmeter. Oder dass man sich wirklich ein bisschen vorm Mikrofon bewegt, wenn man beim Laufen spricht z.B. Dann ist es ja so, dass es ein bisschen abgehackter klingt beziehungsweise einfach wackeliger. Und das kann man natürlich auch durch minimalistische Bewegungen herstellen. Aber vor allem ist es natürlich auch eine Technik-Frage, dass wir wissen oder auch durch Praxis kennen, wie es klingen muss, wenn man veratmet ist.
Wat Los?: In diesem Jahr wurde durch Ihren Kollegen Benjamin Völz eine Diskussion über die Wertschätzung der Arbeit von Synchronschauspielern ausgelöst. Denken Sie auch, dass sie zu wenig beachtet wird? Dietmar Wunder: Also ich finde auf jeden Fall den Weg, der gerade eingeschlagen wird gut. Aber das stimmt schon, es gibt viele Kollegen die das sagen, und ich auch. Wir sind nun mal mit dem Feld Synchron ein ganz wichtiger Teil der Fernseh- und Filmlandschaft im deutschsprachigen Bereich. Da wir hier alle Filme in der deutschen Synchronfassung sehen. Und den Wusch danach, dass diese Kunst geachtet und geschätzt wird, finde ich absolut verständlich und bin auch der Meinung, dass es richtig ist. Weil alle anderen Kunstrichtungen werden ja auch in der Öffentlichkeit honoriert bzw. auch wertgeschätzt. Und das ist mit unserer Kunst nicht anders. Man geht hier ins Kino und ist emotional bewegt durch die deutsche Synchronisation. Zwar auch durch den Schauspieler oder die Schauspielerin, aber auch durch die deutschen Worte, die dort gesprochen werden. Und es ist eigentlich nur berechtigt, dass man sagt, dass kann honoriert werden. Also, wir sind auf einem guten Weg. Aber ich denke, da kann man noch viel machen.
Wat Los?: Und so trägt eine gute Synchronisation auch zum Erfolgt eines Filmes bei. Dietmar Wunder: Absolut. Ich kann z.B. kein Chinesisch. Und wenn ich jetzt einen Film im Original sehe, klar habe ich dann das Gefühl, wie fühlt sich diese Sprache an, was ist das für eine Kultur, die da transportiert wird. Aber ich muss natürlich immer kurzfristig aussteigen, durch den Untertitel. Und wenn ich jetzt sage, ich will einen Film als Gesamtwerk erleben, da wirklich reinfallen und auch nicht rausgezogen werden, dann ist die Synchronisation natürlich eine wunderbare Möglichkeit, einem eine fremde Kultur in einer vertrauten Sprache nahezubringen. Dafür ist Synchron einfach hervorragend geeignet. Und wenn es gut gemacht ist, hat man ja wirklich das Gefühl, die jeweiligen ausländischen Schauspieler sprechen unsere Sprache. Dadurch kann man sehr viel transportieren in einer vertrauten Sprache und es ist Vieles dann nochmal verständlicher. Selbst wenn man des englischen sehr mächtig ist, ist es so, dass es sehr viel Fachvokabular gibt, bei „House of Cards“ oder Arztserien z.B. oder im Original sehr spezifische Themen angesprochen werden. Wenn die ins Deutsche übersetzt werden, versteht denke ich mal ein Großteil der Menschen die das gucken einfach mehr. Und dafür ist Synchron, finde ich, eine sehr gute Möglichkeit, das rüberzubringen. Es kommt auch noch dazu, dass heute von der Textmenge viel mehr transportiert wird, als in den alten Filmen. Und auch die Art zu spielen hat sich verändert. Diese verschlissene, schnell gesprochene, unheimlich authentische und sehr realistische Darstellung. Und da hat man es oft, dass man sagt, dass war jetzt sehr schnell oder sehr verschlissen gesprochen, so, dass man das Original oft nur schwer verstehen kann. Da kann die deutsche Synchronisation das noch ein stückweit verständlicher machen.
Wat Los?: Werden Sie eigentlich aufgrund Ihrer Stimme oft erkannt?
Dietmar Wunder: Ja, interessanterweise in den letzten zwei, drei Jahren passiert mir das wirklich regelmäßig, dass ich angesprochen werde. Entweder sogar konkret auf Rollen, da heißt es dann immer, sie sind doch die Stimme von… Oder, was mir auch öfter passiert ist, das es heißt, ich kenne sie doch irgendwoher, sie sind doch Synchronsprecher, ihre Stimme kommt mir bekannt vor. Das ist manchmal auch wirklich eine Überraschung, weil mir dann auch bewusst wird, dass die Beachtung in der Öffentlichkeit schon zunimmt. Auch natürlich dadurch, dass es viele Hörbuchproduktionen mit den Stimmen von den Hollywoodstars gibt. Oder es auch in der Werbung genutzt wird. Und von daher ist es immer ein Kompliment für meine Arbeit, wenn die Leute mich dann erkennen. Weil dann hat es funktioniert, dass was ich erreichen möchte, dass das Publikum berührt bzw. einfach angesprochen wird.
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