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Das vergessene Leid: Rettung von Zootieren in Kriegsgebieten

  • Autorenbild: Christian Ehrhorn
    Christian Ehrhorn
  • 3. Aug. 2017
  • 4 Min. Lesezeit

Fotos: (VIER PFOTEN/Ahu Savan An)

Täglich erreichen uns Bilder aus den Kriegsgebieten dieser Welt. Zerstörte Häuser, explodierende Bomben und verzweifelte Menschen. Immer wieder wird uns vor Augen geführt, wie schrecklich der Krieg für die Bewohner der angegriffenen Städte ist. Doch es gibt auch Bilder die uns nicht erreichen. Von Tieren, eingesperrt in kleinen Käfigen, ohne Möglichkeit zur Flucht, ohne Zugang zu Futter oder Wasser. In der Hitze der nahöstlichen Länder. Viele der Zootiere in Syrien oder im Irak sind bereits verstorben. Fast mumifiziert aussehende Kadaver, mit staubigem Sand übersäht und zerfressenen, sind die einzigen Überreste von den einstigen Bewohnern der Tierparks und zeugen von den Qualen, die sie durchleben mussten. Sie wurden zum Sterben zurückgelassen. Und einfach vergessen.

Nur wenige Tiere überlebten. Im Zoo von Mossul, Irak, waren ein Löwe und ein Bär die einzigen, die lebendig vorgefunden wurden. Und auch um ihre Gesundheit stand es schlecht.

„Wir müssen wirklich schnell sein, denn wir befinden uns in Mossul in einem gefährlichen Krisengebiet. Bärin Lula und Löwe Simba haben keine Überlebenschancen, wenn wir sie nicht hier rausholen,“ erklärte Tierarzt Dr. Amir Khalil. Er leitete die Mission der Tierschutzorganisation VIER PFOTEN, um die Zootiere aus der Stadt zu holen, in der seit Monaten ein Krieg zwischen dem IS und irakischen Streitkräften tobt.

Im März dieses Jahres gelang es dann endlich, die Tiere aus dem Zoo zu befreien. Doch sie waren nicht die einzigen Zootiere, die in einem Kriegsgebiet zurückgelassen wurden. Denn so wie Bärin Luna und Löwe Simba erging es auch zwei Tigern, zwei Hyänen, drei Löwen und zwei Asiatischen Schwarzbären im einem zerbombten Zoo nahe der syrischen Stadt Aleppo. Ende Juli konnten nun alle neun Tiere aus dem Zoo evakuiert und die türkische Grenze in Sicherheit gebracht werden. „Die eintägige Fahrt quer durch die Türkei war für

alle Beteiligten kräfteraubend. Aufgrund der extremen Hitze mussten wir alle drei bis vier Stunden anhalten, um die Tiere mit Wasser zu versorgen und ihren Zustand zu überprüfen. Wir sind alle heilfroh, dass wir die Tiere sicher an ihr erstes Ziel bringen konnten“, sagt VIER PFOTEN-Tierarzt Dr. Amir Khalil, der auch in dieser Mission die Leitung übernahm. Die geretteten Tiere wurden gründlich medizinisch untersucht, um ihren genauen Gesundheitszustand zu erfahren und weiteren Transport zu planen.

Dr. Frank Göritz (links) und Dr. Amir Khalil (mitte) bei der Untersuchung eines Bärens.

Auch vor Ort, der Leitende Tierarzt vom Berliner Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung Dr. Frank Göritz, der bei der medizinischen Versorgung der Tiere hilft. „Es ist das erste Mal, dass diese Tiere eine gründliche Behandlung von Experten erhalten. Neben Bluttests werden wir auch Ultraschall-Untersuchungen bei allen Tieren durchführen, um Schäden der Organe ausschließen zu können. Zusätzlich werden wir den Zustand der Augen, Haut, Pfoten und Zähne genauestens unter die Lupe nehmen. Wir rechnen damit, dass die Untersuchungen in den nächsten drei Tagen abgeschlossen sind“, erklärt Dr. Frank Göritz, der gemeinsam mit lokalen Tierärzten das VIER PFOTEN Team unterstützt.

Denn der Gesundheitszustand der Tiere entscheidet, ob die Tiere weiter transportfähig sind und wo sie ihr neues, endgültiges Zuhause finden. „VIER PFOTEN hat mit seinen eigenen Tierschutzzentren, unter anderem in Jordanien, Südafrika und den Niederlanden, einige sehr gute Optionen. Wir werden individuell entscheiden, welcher Platz für jedes Tier der passende ist“, so Dr. Amir Khalil.

Dass diese ganze Mission überhaupt möglich war, ist der Zusammenarbeit vieler internationaler Sicherheitsexperten zu verdanken. Sie planten den Einsatz im gefährlichen Kriegsgebiet über Monate. Ein weiterer wichtiger Mann in der Mission ist amerikanische Journalist, Geschäftsmann und Tierschützer Eric Margolis. Mit einer Großspende half er, die Pläne der Sicherheitsexperten finanziell in die Tat umzusetzen. „Ich bin sehr erleichtert, dass der erste Teil der Rettungsaktion geglückt ist. Die Zoobewohner hatten keine Möglichkeit aus ihren kargen Käfigen zu flüchten. Sie waren tagtäglich von explodierenden Bomben und Schussgeräuschen umgeben. Diese Mission hat ihnen das Leben gerettet. Ich hoffe, dass auch die restlichen Tiere bald in Sicherheit sind“, so Margolis.

Auch wenn die neun Tiere gerettet sind, hatte die Mission in Aleppo noch kein Ende gefunden. Denn in dem Zoo des Vergnügungsparks „Magic World“ der syrischen Stadt saßen noch immer zwei Löwen und zwei Hunde in ihren Käfigen fest. Doch auch sie hatten Glück. Denn auch Teil zwei der Rettungsmission glückte. „Die ersten neun Wildtiere aus Syrien zu holen, grenzte schon fast an einem Wunder. Es war ein organisatorischer und logistischer Kraftakt. Dass wir jetzt noch die zurückgebliebenen leidenden Tiere befreien konnten, macht uns überglücklich. Ohne die zahlreichen Freiwilligen in der Türkei, die uns bei logistischen Problemen und mit Kontakten vor Ort unterstützt haben, hätten wir das nicht meistern können. Viele von ihnen haben sich frei genommen oder sind sogar extra aus dem Ausland angereist, um zu helfen. Wir sind auch sehr dankbar für die Unterstützung der türkischen Regierung, die die Grenze zu Syrien für uns geöffnet hat“, freut sich VIER PFOTEN-Tierarzt Dr. Amir Khalil.

Doch auch wenn die Tiere nun in Sicherheit sind, sind sie noch nicht gerettet. Denn viele von ihnen haben schwere gesundheitliche Probleme, wie der berliner Tierarzt Dr. Frank Göritz nach seiner Untersuchung schildert: „Die männliche Hyäne ist leider komplett blind. Seine Artgenossin leidet unter einer schweren Nierenerkrankung. Auch die beiden Tiger sind gesundheitlich schwer angeschlagen. Einer erlitt sogar einen Herzstillstand, konnte aber von uns reanimiert werden.“ Auch Dr. Khalil macht sich große Sorgen um die Gesundheit der Tiere: „Der Gesundheitszustand mancher Tiere ist sehr kritisch. Deshalb müssen wir sie so schnell wie möglich an einen Ort bringen, der für die erforderlichen medizinischen Behandlungen besser ausgestattet ist.“

Es bleibt also zu hoffen, dass die Tiere auch ihren hoffentlich letzten Transport antreten und in ihrem neuen Zuhause den Rest ihres Lebens friedlich verbringen können.

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