Sterbehilfe: Mord oder Erlösung?
- Dennis Kösters
- 28. Sept. 2016
- 4 Min. Lesezeit
Sterbehilfe ist stets ein Thema, das viele Menschen berührt und bei dem die Meinungen auseinander gehen. Die einen kämpfen für das Recht auf jegliche Formen des selbstbestimmten Suizids und dementsprechende Hilfsangebote. Während andere prinzipiell gegen jede Art von Sterbehilfe argumentieren. Doch es gibt auch Raum für Entscheidungen, die wir selbst treffen können.

Besonders in Deutschland wird das Thema Sterbehilfe, aufgrund der mörderischen Euthanasiepraktiken der Nationalsozialisten, sehr vorsichtig diskutiert. So wurden ab dem Jahr 1940 bis Kriegsende schätzungsweise mehr als 70.000 Menschen mit geistigen oder körperlichen Behinderungen getötet. Der Film „Nebel im August“, mit dem seit dem 29. September 2016 das Leben des Ernst Lossa im Kino nacherzählt wird, verdeutlicht aktuell: Selbst Kinder wurden mit Etiketten wie „Psychopath“ versehen und dann ermordet.
In der Gegenwart ist Sterbehilfe ein Thema, das über viele Facetten verfügt. Es gibt eine Vielzahl an Gegnern und Befürwortern, während die jeweils vorgeschlagenen Regulierungskonzepte sich stark voneinander unterscheiden können. Zu den bekanntesten Argumenten gegen die Sterbehilfe zählt mitunter, dass eine Gesellschaft zu verhindern ist, in der sich Ältere als Last für die jüngere Generation wahrnehmen – und aus dieser Art Gründen Möglichkeiten der Sterbehilfe nutzen. Oder auch, dass aus den Suizidwünschen notleidender Menschen kein Geschäft werden darf.
Letztere Befürchtungen wurden in Deutschland im Jahr 2015 mit einem eigens eingeführten Paragraphen entkräftet. So ist seit Dezember 2015 die geschäftsmäßige Förderung von Selbstmord mit der Einführung des § 217 in das Strafgesetzbuch verboten. Im November 2015 wurde weiter gesetzlich geregelt, dass ein Verwandter oder nahestehender Bekannter bei einem Selbstmord assistieren darf. Auf diese Weise soll in Deutschland also endgültig ausgeschlossen sein, dass sich Gewerbe bilden, die monetäre Interessen über das Wohl von Menschen mit Selbstmordabsichten stellen.
Karl Lauterbach (SPD) wies in diesem Zusammenhang während einer Bundestagsdebatte im November 2014 darauf hin, dass es zahlreiche Fälle gibt, in denen ein Suizid vermeidbar ist: „Zu Seriensterbehelfern und entsprechenden Organisationen gehen auch viele Menschen mit Depressionen, die eigentlich gerettet werden könnten.“ Mit dieser Argumentation nimmt der Politiker, wenn auch überspitzt, Bezug auf Institutionen, die es beispielsweise in der Schweiz gibt. Einer der bekanntesten schweizerischen Vereine ist hierbei die Dignitas, der Menschen mit Suizidabsichten Hilfsangebote bereitstellt.
Befürworter der Sterbehilfe dagegen weisen daraufhin, dass jeder Mensch das Recht haben sollte, in Würde zu sterben. Und das nicht nur bei Krankheit oder einem hohem Lebensalter. Sie wollen verhindern, dass Menschen mit Selbstmordabsichten sich notgedrungen vor Züge werfen müssen. Oder fragliche Substanzen einnehmen, die statt dem gewünschten Suizid langfristige Folgen für die Gesundheit nach sich ziehen können. Der Suizid soll enttabuisiert werden und nicht mehr zwangsweise eine letzte, einsame Reise darstellen. Grundsätzlich gibt es hier viele Argumente für und wider die Sterbehilfe, sodass das Thema nicht nur in den Medien immer wieder für Diskussionen sorgt.
Begrifflichkeiten und medizinische Sterbehilfe
In Deutschland gibt es mehrere Begriffe, die einerseits zur Beschreibung von Fällen der Sterbehilfe dienen und gleichzeitig auch die Gesetzeslage repräsentieren können. So gibt es einen Unterschied zwischen einem assistierten Suizid und einer Tötung auf Verlangen. Ersteres, also die Beihilfe zur Selbsttötung, ist in gewissen Fällen legal. Beispielsweise, wenn der betroffene Mensch, der aus dem Leben scheiden will, hierfür ein tödliches Mittel selbst nimmt, welches ihm zuvor von einem seinem Umfeld nahestehenden Helfer beschafft wurde. Aktive Sterbehilfe wäre es dagegen, wenn der Helfer dem Sterbewilligen das Mittel beispielsweise mit einer Spritze verabreicht. Dies stellt eine Straftat dar und kann mit einer Haftstrafe von bis zu fünf Jahren geahndet werden.
Bei der passiven Sterbehilfe, werden im Rahmen einer medizinischen Behandlung lebensverlängernde Maßnahmen eingestellt. In diesem Fall muss man sich aber nicht einen schmerzvollen Tod vorstellen, bei dem man alleine gelassen wird. Denn möchte man sich als Kranker für die passive Sterbehilfe entscheiden, weil der Tod nicht abwendbar ist, folgt der kurativen Behandlung, deren Ziel die Heilung ist, die Palliativmedizin.
In der Palliativmedizin sichern Spezialisten noch immer, dass totkranke Menschen schmerzlindernde Medikamente erhalten und die Lebensqualität so gut wie möglich gefördert wird. Um indirekte Sterbehilfe handelt es sich dagegen, wenn beispielsweise stark schmerzlindernde Mittel verabreicht werden, die wissentlich lebensverkürzend sind oder zum Tod führen können. Dies kann geschehen, wenn die behandelnden Ärzte entscheiden, dass es das Beste für den Patienten ist.
Informationsangebote und Möglichkeiten
Wer sich über Möglichkeiten der Sterbehilfe bei Krankheit und im hohen Alter erkundigen möchte, findet diverse Angebote. Beratungen in Deutschland bieten unter anderem die Caritas oder auch Vereine an, die sich auf die Patientenverfügung spezialisiert haben. Interessierte können weiter in der Palliativmedizin sehr gute Ansprechpartner finden, die auf die Sterbebegleitung und ebenfalls auf Beratungen in diesem Bereich spezialisiert sind.
Mit einer Patientenverfügung und dem letzten Willen kann man zudem eine genauere Auskunft darüber geben, bis zu welchem Punkt beispielsweise lebensverlängernde Maßnahmen durchgeführt werden sollen. Menschen, die sich vor einem langwierigen Sterben fürchten, finden hier also erste Anlaufstellen, die die Angst vor einem Ausgeliefertsein und anderen Horrorszenarien zum Lebensende lindern.
Wenn ein Mensch derweil aufgrund persönlicher Lebensumstände und Depressionen nicht mehr leben möchte, ist es wichtig zu wissen, dass es hier ebenfalls Hilfsangebote gibt. Wie auch, dass man nicht für immer mit diesem Lebensgefühl leben muss. Betroffene müssen sich auch nicht schämen und sollten sich nicht aufgrund der Befürchtung, dass niemand helfen kann, diesen Angeboten entziehen. Denn eine psychiatrische Behandlung kann in vielen Fällen für eine seelische Entlastung sorgen.
Wenn Beruf und Privatleben aus dem Lot geraten und der Druck zu groß wird, sollte zudem auch unbedingt die Möglichkeit genutzt werden, sich eine längerfristige Auszeit zu gönnen. Helfen kann hier, sich bewusst zu machen, dass wir zwar in einer Leistungsgesellschaft leben, es aber kein Stigma ist, die seelische Gesundheit zur Priorität zu erklären. Und dass man nicht alleine mit diesem Lebensgefühl ist. Es ist für alle Betroffenen ein langer Weg, doch es gibt nachweislich sehr viele Beispiele die beweisen, dass ein Selbstmordwunsch therapiert werden kann.
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