Gemeinsam bis zum Schluss: Haustiere in Alten- und Pflegeheimen
- Patricia Kaufmann
- 28. Sept. 2016
- 4 Min. Lesezeit
Ein Zentimeter Hund ist mir lieber als ein Kilometer Stammbaum (Dana Burnett)
Oft bleibt der Kanarienvogel die einzige Gesellschaft im Alter. Oder der Hund, die Katze, die Fische im Aquarium. Und natürlich soll das Tier mit auf die vorletzte Station - ins Altenheim. „Klar“, denken wir, „warum nicht“; schließlich wirkt der Gedanke absurd, eine ältere Dame müsse, bevor sie mit ein paar letzten geliebten Habseligkeiten in ein Pflegeheim umzöge, erst einmal ihren Dackel im Tierheim abgeben. Aber auf der anderen Seite wissen wir lange und längst, dass das Leben und auch die Arbeit in Alten- und Pflegeheimen kein Zuckerschlecken ist. Zuwenig Personal, zu viel Pflegebedürftigkeit. Wer soll da noch für einen Dackel sorgen. Auch absurd, der Gedanke!

Die Verhältnisse lassen es zumeist nicht zu. Ein Hund braucht Futter, tierärztliche Versorgung und muss mehrmals täglich Gassi gehen. Und da ein Hund ein Hund ist, bellt er, knurrt und tollt zuweilen übermütig herum. Ein Hund schleppt Flöhe an, wenn es regnet, stinkt sein Fell, er macht Dreck mit seinen Pfoten und haart. Das bedeutet mehr Arbeit für das Personal. Definitiv, selbst, wenn Herrchen oder Frauchen fast alles rund um das Tier selbst erledigen. Wer will das stemmen, gäbe es unzählige Hunde in einem Altenheim. „Ein Altenheim kann kein Zoo sein“, heißt es oder „Wie kann man einen alten Kater von einer alten Dame trennen“. Schwierig. Beides leuchtet ein. Das Geschäft mit Pflegebedürftigen ist ein Geschäft, war immer ein Geschäft und wird es immer bleiben. Ein Geschäft wie jedes andere, mit dem sich Geld verdienen lässt. Manch einem mag das aufstoßen. Ein anderer wird das okay finden. Hin oder her. Pflege kostet in Deutschland Geld. Pflege unterliegt Auflagen, die es zu erfüllen gilt, Pflege braucht Administration und Tiere brauchen ein verantwortungsbewusstes Umfeld, angemessene Pflege und entsprechenden Raum.
Das sind Gründe, warum einige Alten- und Pflegeheime Tierhaltung zulassen, andere nur bedingt und wieder andere sie kategorisch ablehnen. Ein Wellensittich, ein Aquarium. Das kann schon mal klappen. Aber ein Hund. Seltener. In den Verträgen heißt es zumeist: Das Mitbringen von Kleinheimtieren ist mit der Pflegedienstleitung abzusprechen. Ein Hund ist aber kein Kleintier.

Im betreuten Wohnen hingegen ist es häufiger möglich, dass das Haustier miteinzieht, in das neue Domizil. „Natürlich darf der Hund mit“, sagt Wolfgang Grunwald (Heimleitung) vom evangelischen Altenwohnheim Billwerder Bucht, sonst nähme man den Menschen ja ein Stück Leben weg. Probleme habe es bisher nicht gegeben. Bei Krankheit des Hundebesitzers springen immer Freunde und Verwandte ein, man spreche das vorher ab. Und bisher habe das immer geklappt. Hier im Stadtteil Rothenburgsort, befindet sich neben dem betreuten Wohnen auch ein Pflegeheim. Einmal die Woche kommt eine Dame mit Hund im Rahmen eines Besuchshundeprogrammes. Denn es ist längst wissenschaftlich erwiesen, dass Tiere Menschen guttun. So lösen sie Spannungen und Stress und wirken blutdrucksenkend. „Betrachtet man die Gesichter, das Mienenspiel der Heimbewohner, so denkt man, ein Hund wedelt so manches Mal die Sorgen weg“, erzählt Grunwald, der auf eine lange Erfahrung im Altenpflegebereich zurückblickt. Er berichtet von einem Projekt in Ostfriesland, wo man schon vor vielen Jahren Kaninchen im Garten des Heimes gehalten hat. Versorgt wurden sie vom Hausmeister und den Bewohnern, die eine Patenschaft übernommen hatten.
Es wird etwas versucht in Sachen Tiere in Alten- und Pflegeheimen. So gibt es im Alten- und Pflegeheim Georg –Behrmann-Stiftung in der Justus-Brinckmann Straße in Hamburg Lucky, einen Golden Retriever, den das Heim gekauft hat, deren Kosten das Haus trägt, der aber bei einer Betreuungskraft lebt. Kommt sie zur Arbeit, kommt Lucky mit, sehr zur Freude der Heimbewohner, berichtet man von der Pflegedienstleitung. Lucky spaziert über die Gänge, liegt vor den Betten und lässt sich streicheln. Tiere zu therapeutischen Zwecken. Prima Idee.
Aber was wird aus all den Tieren, die nicht mit ins Heim einziehen dürfen? Sie landen nicht selten im Tierheim oder bei Tierschutzorganisationen, bestätigt der Tierschutzverein Buchholz bei Hamburg. Wellensittiche. 20 Jahre alte Katzen. Schäferhunde. Traurig. Da schieben Kinder ihre alte Mutter ins Altenheim ab, was aus ihren alten Katzen wird, ist egal, Hauptsache das Erbe kann schon mal vorab angetreten werden. Aber bitte ohne Katzen. Können denn nicht zwei alte Katzen eine Zeitlang mit im Altenheim wohnen, fragt man aus Tierschutzkreisen. Ja, das sollte doch gehen. Oder? Entschieden wird – bei Heimen, die Tiere nicht per se und kategorisch ablehnen – immer im Einzelfall. Ein Dackel hat eher Chancen als eine Dogge. Und die Familie muss dahinter stehen. Übernehmen die Verwandten oder Freunde die Verantwortung für das Tier, sollte der Besitzer so pflegebedürftig sein, dass er sich nicht mehr um das Tier kümmern kann; so kann es sein, dass Kater Estragon, Pieps der Kanarienvogel oder Mops Minto mit einziehen ins Altenheim, der vorletzten Station. Bei „pflegen und wohnen Hamburg“ beispielsweise, im „Domizil Kursana“ in Buchholz etwa oder im betreuten Wohnen im „Wohnstift Augustinum“.
„Je hochklassiger das Domizil, je höher sind die Chancen dein Tier mitzunehmen“, berichtet ein Kenner der Branche – will aber als Informant nicht genannt werden. Ein spannendes Thema, dem sich wat-los ein anderes Mal annimmt. Wir halten erst einmal fest: Das Leben ist kein Ponyhof! Und, wenn die Familie auf den Rest hin nicht zu Dir hält, ja, dann bleibt nicht nur der Mensch nach einem langen Leben auf der Strecke, da gehen auch ein paar Katzen, Hunde und Wellensittich mit drauf. So ist das eben. Traurig. Und wir lernen, manchmal ist es besser ein Dackel zu sein als eine Dogge; oder besser noch ein Kanarienvogel.
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